Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät Regierungen, zuckerhaltige Getränke mit einer Zuckersteuer von mindestens 20 Prozent zu belegen. Die Abgabe könne zu einem spürbaren Rückgang des Zuckerkonsums führen. Im Ergebnis würden weniger Menschen an Übergewicht, Fettleibigkeit, Zuckerkrankheit oder Karies leiden.
Zahlen und Fakten der WHO
Die weltweite Adipositas hat sich laut World Health Organisation (WHO) seit 1975 fast verdreifacht. Im Jahr 2016 waren mehr als 1,9 Milliarden Erwachsene ab 18 Jahren übergewichtig. Von diesen waren über 650 Millionen fettleibig. 41 Millionen Kinder unter 5 Jahren waren 2016 übergewichtig oder fettleibig. Über 340 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 19 Jahren waren 2016 übergewichtig oder fettleibig.
Fettleibigkeit und Übergewicht
Die Hauptursache für Fettleibigkeit und Übergewicht ist ein Energieungleichgewicht zwischen Kalorieneinnahme und Kalorienverbrauch. Weltweit gab es eine erhöhte Aufnahme von
- energiedichten Lebensmitteln, die reich an Fett sind und
- eine Zunahme der körperlichen Inaktivität aufgrund der zunehmenden Bewegungsmangel vieler Arbeitsformen, des Wechsels der Verkehrsträger und der zunehmenden Verstädterung.
Übergewicht ist ein Hauptrisikofaktor für
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (hauptsächlich Herzkrankheiten und Schlaganfall),
- Diabetes,
- Erkrankungen des Bewegungsapparates (insbesondere Arthrose) sowie
- einige Krebsarten (einschließlich Gebärmutterschleimhaut-, Brust-, Eierstock-, Prostata-, Leber-, Gallenblasen-, Nieren- und Dickdarmkrebs).
Fettleibigkeit bei Kindern ist mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Fettleibigkeit, vorzeitigen Tod und Behinderung im Erwachsenenalter verbunden. Übergewichtige Kinder haben jedoch nicht nur ein erhöhtes Risiko für die Zukunft, sondern auch Atembeschwerden, ein erhöhtes Risiko für Frakturen, Bluthochdruck, frühe Marker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Insulinresistenz und psychische Auswirkungen.
WHO empfiehlt Zuckersteuer
Übergewicht und Fettleibigkeit sowie die damit verbundenen Krankheiten sind weitgehend vermeidbar. Ein unterstützendes Umfeld und Gemeinschaften sind von grundlegender Bedeutung für die Wahl gesünderer Lebensmittel und regelmäßige körperliche Aktivität (am leichtesten zugänglich, verfügbar und erschwinglich) und somit zur Vorbeugung von Übergewicht und Fettleibigkeit.
Auf individueller Ebene kann jeder:
- die Energieaufnahme aus Gesamtfetten und Zucker begrenzen,
- den Verzehr von Obst und Gemüse sowie von Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten und Nüssen steigern und
- regelmäßig an körperlicher Aktivität teilnehmen (60 Minuten pro Tag für Kinder und 150 Minuten über die Woche verteilt für Erwachsene).
Eigenverantwortung kann nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn Menschen Zugang zu einem gesunden Lebensstil haben. Auf gesellschaftlicher Ebene ist es daher wichtig, Einzelpersonen bei der Befolgung der oben genannten Empfehlungen durch die nachhaltige Umsetzung evidenzbasierter und bevölkerungsorientierter Strategien zu unterstützen. Dazu zählen die regelmäßige körperliche Bewegung und gesündere Ernährungsgewohnheiten, erschwinglich und für jedermann, insbesondere für die Ärmste und leicht zugänglich. Ein Beispiel für eine solche Politik ist eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke.
Rolle der Lebensmittelindustrie
Die Lebensmittelindustrie kann eine wichtige Rolle bei der Förderung einer gesunden Ernährung spielen, indem sie:
- Fett-, Zucker- und Salzgehalt von verarbeiteten Lebensmitteln reduziert,
- gesunde und nahrhafte Lebensmittel für alle Verbraucher verfügbar und erschwinglich macht,
- die Vermarktung von Lebensmitteln mit hohem Zucker-, Salz- und Fettgehalt, insbesondere von Lebensmitteln für Kinder und Jugendliche einschränkt und
- gesunde Lebensmittel verfügbar macht.
Zucker ist der Tabak des 21. Jahrhunderts
Der WHO Empfehlung zur „Zuckersteuer“ sind bisher unter anderem Mexiko und Großbritannien gefolgt . In Mexiko wurde die Abgabe schon 2013 beschlossen. Großbritannien erhebt seit 2018 je nach Höhe des Zuckergehaltes im Getränk einen Preisaufschlag.
„Zucker ist in vielerlei Hinsicht der Tabak des 21. Jahrhunderts – und er verwüstet gerade viele ärmere Länder ein zweites Mal. Im 18. Jahrhundert mussten afrikanische Sklaven auf amerikanischen Zuckerrohrplantagen schuften, heute bedroht die steigende Zahl der Menschen mit Diabetes die Gesundheitssysteme in Ländern wie Nigeria, und jährlich sterben weltweit rund vier Millionen Menschen an Krankheiten, die auf eine ungesunde Ernährung mit zu viel Zucker zurückzuführen sind. Glücklicherweise gibt es für dieses Problem eine simple politische Lösung. Sie besteht darin, den Zucker so teuer zu machen, dass die Menschen weniger Zucker essen – zum Beispiel indem der Staat den Zuckerverkauf besteuert. Das hat beim Rauchen funktioniert: Der Zigarettenkonsum ist auch deshalb massiv zurückgegangen, weil die Tabaksteuer angehoben wurde.“
Quelle: Mark Schieritz in „Die Zeit“
Ob das Verbraucher zu einem geringeren Verzehr von süßer Limonade anreizt, darüber wird in Deutschland seit längerer Zeit gestritten. Jetzt ist die Kontroverse neu entbrannt. So betont die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsabgeordneten Katharina Willkomm, die Einführung einer Steuer auf zuckerhaltige Getränke lasse sich nach den „derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht begründen“. Es gebe auch keine Hinweise, dass die in Großbritannien geltende Steuer „zu einer Verringerung der Häufigkeit von Übergewicht oder Adipositas sowie von ernährungsbedingten Krankheiten geführt hat“.
Weiterführende Artikel:
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/109097/Die-britische-Zuckersteuer-wirkt
Titelbild von Ulrike Leone auf Pixabay
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