Körper

Exklusiver Buchauszug aus „Leber an Milz“ Teil 4: Das Steißbein – Alles im Lot oder was?

Das Steißein
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Das Steißbein – Alles im Lot oder was? In der Regel ja – bis man plötzlich darauf fällt. Viele Leute bemerken dann zum ersten Mal, dass sie überhaupt ein Steißbein haben. Denn das tut jetzt tage- manchmal wochenlang ordentlich weh.


Leber an Milz. Wie wir lernen, auf die geheimen Signale unserer Organe zu hören

Warum haben wir eigentlich Nasennebenhöhlen? Was leistet die Milz, ohne dass wir es mitbekommen? Und was wünschen sich unsere Fußgewölbe von uns, wo sie uns schon ein Leben lang tragen? Unser Körper ist unser engster Partner, wir sind ein Leben lang mit ihm zusammen, und kennen ihn doch erstaunlich schlecht. Mit ihrem Buch „Leber an Milz. Wie wir lernen, auf die geheimen Signale unserer Organe zu hören“ möchten das Andrea Freund (Journalistin und Heilpraktikerin für Psychotherapie) und Lucia Schmidt (Journalistin und Ärztin) ändern. Sie lassen uns staunen über unseren Organismus, dessen Fähigkeiten und unermüdliche Arbeit wir nur selten wahrnehmen und meist unterschätzen.

In sechs Folgen stellen wir daraus in Auszügen sechs Organe und Körperstrukturen von Kopf bis Fuß vor, meist aus schulmedizinischer und ganzheitlicher Sicht. Denn im Körper ist nicht nur alles miteinander verbunden: Körper, Seele und Geist bilden ebenfalls eine Einheit. Und wer seinem Körper und damit sich selbst Gutes tun möchte, findet dazu am Schluss jeweils eine „Partnerübung“.

Lesen Sie hier den vierten Teil zum Thema „Das Steißbein – Alles im Lot oder was?“.


Das Steißbein am unteren Ende unserer Wirbelsäule

Das Steißbein bildet das unterste Ende unserer Wirbelsäule – der senkrechten Achse in unserem Rücken. Sie besteht von oben nach unten aus rund 33 Wirbelkörpern:

  • 7 in der Halswirbelsäule (Nacken) 
  • 12 in der Brustwirbelsäule 12
  • 5 in der Lendenwirbelsäule  (unterer Rücken)
  • 5 im Kreuzbein, die aber zur Rückseite des Beckens verwachsen sind
  • 3-6 im Steißbein (tatsächlich unterschiedlich), zu einem Knochen verwachsen

Der unterste Lendenwirbel ist in etwa so dick wie das eigene Handgelenk, die Spitze des Steißbeins so groß wie der Nagel des eigenen kleinen Fingers.

Und wofür brauchen wir das Steißbein überhaupt?

Darüber haben die Autorinnen des Buches „Leber an Milz“ mit einer Orthopädin, einer Osteopathin und einer Ärztin für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) gesprochen.

Die Orthopädin Uta Laukens aus Berlin hat erläutert, dass das Steißbein einer der Aufhängungspunkte für den Beckenboden ist – viele kennen den vom Yoga oder von der Rückbildungsgymnastik. Diese Muskelplatte ist an den Seiten an den beiden Sitzbeinhöckern befestigt (die spitzen Knochen, die man im Sitzen fühlen kann, wenn man sich seitlich unter den Po fasst), vorne am Schambein und hinten am Steißbein. Weitet sich das Becken wegen der Hormonumstellung in der Pubertät, überträgt sich das über den Beckenboden aufs Steißbein. Und das kann dann wehtun.

Der Klassiker aber sind „Po-Stürze“. Die sind so schmerzhaft, weil das Steißbein, ähnlich wie das Schienbein,  nur von einer dünnen Knochenhaut umgeben ist.  Und wer drauf fällt, kann sich das Steißbein prellen, verstauchen, sogar verwringen. Autsch!

Sitzen tut dann richtig weh – da hockt man sich am besten auf einen halb aufgeblasenen Kinderschwimmreifen. Den also nach dem Sommerurlaub nicht wegwerfen, für alle Fälle…

Eine Finne wie am Boot

Die Osteopathin Professor Marina Fuhrmann aus Wiesbaden hat das Steißbein mit einer „Finne wie am Boot“ verglichen. Als hinterer Anker für den Beckenboden sorge das Steißbein dafür, dass dieser gespannt ist wie „ein dynamisches Trampolin“, das sich bei jeder Bewegung ausrichtet, so die Vorsitzende des Verbandes der Osteopathen Deutschlands. Der Beckenboden ist aber nur das „Erdgeschoss“, dem nach oben weitere Etagen folgen, die alle auf die Schwingfähigkeit des Beckenbodens angewiesen sind, um selbst elastisch zu bleiben: das Zwerchfell, der Mundboden, das Gaumensegel bis hinauf zum „Kleinhirnzelt“ im Gehirn.

Gerät nun die „Finne“ aus dem Zentrum, etwa durch einen Sturz aufs Steißbein, verändert sich die Spannung im Beckenboden, was sich – manchmal auch erst viele Jahre später – durch Beschwerden bemerkbar machen kann: Mögliche Konsequenzen können ein Beckenschiefstand mit darauf beruhenden Fehlhaltungen sein, Hämorrhoiden oder auch ein Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule.

Wenn wir aus Angst den „Schwanz einziehen“

Manchmal heißt es ja, das Steißbein sei der – überflüssige – Rest eines Schwanzes. Dass es nicht überflüssig ist, haben wir gesehen. Und in der Evolution ist der Schwanz schon verschwunden, eh sich Primaten überhaupt in Richtung Mensch entwickelten.

Aber: Gesa Meyer-Hamme, Ärztin am Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) des Hamburger Universitätsklinikums hat uns erklärt: „Wir haben zwar keinen Schwanz mehr, aber wir besitzen noch die Muskulatur, um damit zu wedeln oder aber den unteren Rücken zu verspannen wie ein Hund, der Angst hat.“ Sie hat dazu ein Beispiel gegeben: „Angenommen, jemand ärgert sich über seinen Chef, traut sich aber nicht, das zu zeigen“, sagte sie, „dann bleibt das Gefühl unbewusst im Körper stecken.“ Und das eben vor allem in der Region von Kreuz- und Steißbein. Weil man den Vorgesetzten nicht ankläffen oder ihm an die Kehle springen kann, „kneifen wir mit den kleinen Muskeln dort die Pobacken zusammen, wir ziehen sozusagen den Schwanz ein.“ Und das Steißbein damit zu weit nach vorne und aus dem Lot.

Treten dadurch Schmerzen auf, würde die TCM daher auch fragen, ob es entsprechende Frustgefühle gibt – sie sieht Körper und Seele nicht als getrennt an.

„Partnerübung“

Zu langes, starres Sitzen auf harten Stühlen oder eine zu gerade Haltung auf schmalen oder weichen Fahrradsätteln kann zu Beschwerden am Steißbein führen. Zu wenig Bewegung ebenfalls. Dem Steißbein kann man also schon etwas Gutes tun, wenn man einfach genügend zu Fuß unterwegs ist. Denn für unseren aufrechten Gang ist es schließlich zuständig.

Hier ein paar Vorschläge: Treppen steigen statt Aufzugfahren. Nicht zur nächstgelegenen Bushaltestelle laufen, sondern eine weiter. Nicht direkt vor dem Restaurant oder Geschäft parken, sondern absichtlich etwas entfernt. Während längerer Telefonaten auf- und ablaufen. Mit Besuch nicht nur am Kaffeetisch sitzen – gehen Sie gemeinsam eine Runde raus. Wer selbst keinen Hund hat, einfach mal den von Freunden ausleihen: Die freuen sich über Entlastung, und man selbst wird gezwungen, um den Block zu gehen. Beim Zähneputzen nicht starr vor dem Waschbecken verharren: Wippen Sie stattdessen locker hin und her oder laufen Sie im Bad umher. Beim Warten an Bahnsteigen oder anderen Orten von einem Fuß auf den anderen wechseln und so in Bewegung bleiben.  

Das tut auch einmal jede Stunde im Büro gut.

Folge 5 demnächst auf diesem Blog: Die Kniescheibe – eine der individuellsten Strukturen im Körper


Cover leber an Milz Sechsteiliger Beitrag: Sechs Organe und Strukturen aus dem Buch „Leber an Milz“ (A. Freund/L. Schmidt)

Warum haben wir eigentlich Nasennebenhöhlen? Was leistet die Milz, ohne dass wir es mitbekommen? Und was wünschen sich unsere Fußgewölbe von uns, wo sie uns schon ein Leben lang tragen? Unser Körper ist unser engster Partner, wir sind ein Leben lang mit ihm zusammen, und kennen ihn doch erstaunlich schlecht. Mit ihrem Buch „Leber an Milz. Wie wir lernen, auf die geheimen Signale unserer Organe zu hören“ möchten das Andrea Freund (Journalistin und Heilpraktikerin für Psychotherapie) und Lucia Schmidt (Journalistin und Ärztin) ändern.

Sie lassen uns staunen über unseren Organismus, dessen Fähigkeiten und unermüdliche Arbeit wir nur selten wahrnehmen und meist unterschätzen. In sechs Folgen stellen wir daraus in Auszügen sechs Organe und Körperstrukturen von Kopf bis Fuß vor, meist aus schulmedizinischer und ganzheitlicher Sicht. Denn im Körper ist nicht nur alles miteinander verbunden: Körper, Seele und Geist bilden ebenfalls eine Einheit. Und wer seinem Körper und damit sich selbst Gutes tun möchte, findet dazu am Schluss jeweils eine „Partnerübung“.

Das Buch ist im Buchhandel erhältlich, z.B. beim Weltbild Verlag.


 

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